Was die Mallorquiner an ihren Bars so sehr lieben
Nicht auf den Kaffee kommt es an, sondern auf die Patina: Juan José Pérez liebt die alten und raditionellen Bars in Palma de Mallorca. Auf seiner Website führt er durch die meist schmucklosen Traditionscafés – um deren Fortbestehen er wegen der Coronakrise aber mehr denn je bangen muss.
Nach der zweimonatigen Ausgangssperre wegen der Corona-Pandemie konnte es Juan José Pérez kaum erwarten, endlich wieder – wie er das sonst zweimal täglich gemacht hat – in einem seiner Lieblingscafés in Palma de Mallorc seinen Kaffee zu trinken und das besondere Ambiente zu genießen. „Ich beobachte gern, wie sich die Kellner dort hinter dem Tresen bewegen oder sich die Gäste unterhalten“, so Pérez.
Weil er die alten Lokale so liebt – er zieht es vor, von Cafés statt von Bars zu sprechen –, hat der 43-Jährige vor vier Jahren angefangen, dort aufgenommene Fotos zu sammeln und sie inklusive Google-Maps-Karte und einem kurzen Text auf der Website www.cafesdepalma.com zu veröffentlichen. Die fast 80 Lokale sind dabei in vier Kategorien unterteilt: Unter „Cafés intramuros“ finden sich die innerhalb des Avenida-Rings gelegenen. „Cafés en el Eixample“ fasst alle Lokale zusammen, die sich außerhalb davon befinden. Mit „Cafés que están lejos“ betitelt Pérez diejenigen, die in noch zentrumsferneren Stadtvierteln wie Son Rapinya oder Sa Indioteria liegen. „Bonus Extra“ ist eine kleine Sammlung an Cafés, die in anderen Gemeinden der Insel oder sogar in Paris liegen.
Der Charme des Schlichten
Gestylte Dachterrassen von Hotels, bunte Hipster-Bars oder Franchise-Lokale sucht man in der Sammlung von Pérez vergebens. Alle Lokale sind sich relativ ähnlich: nicht besonders dekoriert, eher schlicht gehalten. In vielen von ihnen stehen klassische Thonet-Kaffeehausstühle mit Rückenlehnen aus Bugholz an Tischen mit weißen Marmorplatten. „Auch die alten Tresen mit Marmor- oder Zinkplatte sind ein wichtiges Element der Traditionscafés“, sagt Pérez, der im Hauptberuf Anwalt ist. Einigen der Lokale würden zudem traditionelle Kühlschränke aus altem Holz eine gewisse Persönlichkeit verleihen. Zudem achtet Pérez auf die Beleuchtung. „Manche sind mit Neonlichtern ausgestattet, als wären es Krankenhausräumlichkeiten. Schrecklich“, sagt er. Ein Ausschlusskriterium für seine Liste ist das Neonlicht allerdings ebenso wenig wie die Resopaltische. Auf die Patina kommt es an.
Wobei auch das noch nicht reicht, um auf die Liste aufgenommen zu werden. „Ich habe lediglich die ausgewählt, die für mich persönlich eine Seele haben“, sagt Pérez. Dazu gehöre etwa, dass man den Kellnern anmerkt, dass sie ihre Arbeit gerne machen. „Sie müssen dafür gar nicht besonders nett sein und ständig mit den Kunden witzeln. So ein Übermaß an Sympathie kommt bei den Mallorquinern meist nicht gut an“, erklärt der 43-Jährige. Manchen Kellnern sei es anzumerken, dass sie den Job nur übergangsweise machen und während der Arbeit schon einen anderen suchen. Anders verhalte es sich, wenn die Eigentümer, etwa Familien, selbst in den Lokalen arbeiten. „Sie machen ihre Arbeit oft mit einer spürbaren Leidenschaft“, hat Pérez beobachtet.
Und der Kaffee? „Oft ist die Qualität nicht die beste, aber das macht nichts. Für mich ist der schlechte Kaffee trotzdem ein guter“, sagt Pérez über seine subjektive Auswahl. „Es ist das gleiche Gefühl, wie wenn du in der Bar, in die du seit Jahren gehst, ein Glas Fertigbier bestellst statt woanders ein hausgemachtes, dessen Geschmack besser ist.“ Pérez trinkt seinen Kaffee am liebsten aus dem Glas statt aus der weißen Tasse. Auch das gehört zur Routine seiner Café-Besuche. „Ich gehe in ein Café, um abzuschalten und mich gleichzeitig als Teil einer Gruppe zu fühlen. Man sieht immer die gleichen Menschen dort. Dabei ist es gar nicht notwendig, mit ihnen zu kommunizieren.“
Wie damals in der Schule
Wenn er mit einem Freund etwas Wichtiges besprechen muss oder mit seinen Anwaltskollegen eine Pause macht, ist er auch mal in Gesellschaft dort anzutreffen. „Viele Freunde von mir verabreden sich immer häufiger zum gemeinsamen Abendessen. Es scheint mittlerweile für viele die einzige Möglichkeit, zusammenzukommen. Dabei ist es in einer großen Gruppe zum Beispiel unmöglich, über Persönliches zu sprechen. Da ziehe ich einen Café-Besuch vor.“ Derzeit verzichten muss er auch auf die Zwischenmahlzeiten mit seinen Kollegen pünktlich um 11 Uhr in einem der Cafés im Lonja-Viertel. „Sie erinnern mich immer an den Moment in der Schule, in dem die Pausenglocke klingelte, man aus dem Klassenraum ging und draußen sein bocadillo herausholte. Man war in Gesellschaft“, erzählt er.
In Palma de Mallorca schließen einige der Cafés im Winter sogar unter der Woche bereits um 16 Uhr, weil die Beamten dann Feierabend haben und sich der Betrieb für sie nicht mehr lohnt. Andere, wo das Geschäft eigentlich rund um die Uhr brummt, wie in der berühmten Bar Bosch, haben mittlerweile auch sonntags geschlossen, wegen der mittlerweile sehr strengen Arbeitszeitbestimmungen. „Eine Tragödie für mich. Die Bar Bosch war für mich immer der perfekte Ort, um am Wochenende die Zeitung zu lesen und mal aus Esporles herauszukommen, wo ich wohne“, findet Pérez.
Schon vor der Corona-Krise waren viele der Traditionslokale von der Schließung bedroht. Wie bei der Bar Progreso hat Pérez auf seiner Website schon hinter einigen ein Kreuz platzieren müssen. Er befürchtet, dass jetzt noch etliche hinzukommen werden. „Drei Monate ohne Einnahmen. Viele Betreiber mussten schon einen Kredit aufnehmen. Das könnte einigen das Genick brechen.“ Bleibt nur, möglichst schnell wieder dort einzukehren.
Surft mal vorbei: www.cafesdepalma.com