In den Cellers die Traditionsküche von Mallorca erleben

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Überbleibsel aus alten Zeiten: Die Weinfässer sind in den Cellers heute nur noch Dekora-tion. (Foto: Michael Wrobel).

Viel Sonne und schöne Strände sind gute Gründe für einen Besuch Mallorcas. Doch Mallorca bietet viel mehr, beispielsweise eine fantastische Gastronomie. Ob Sternerestaurant – aktuell gibt es sieben Restaurants mit einem Michelin-Stern und eins mit zwei Michelin-Sternen (Stand Sommer 2019) – oder Kneipe am Eck, ob kulinarischer Luxustempel mit Avantgardeküche oder gutbürgerlich-klassisch, ob Gerichte aus aller Welt oder traditionell Spanisches wie Paella und Tapas –für jeden Gusto und Geldbeutel ist etwas dabei.

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Deftig geht es in den Cellers zu – beispielsweise mit der sopa mallorquina, einem der tra-dinellsten Gerichte Mallorcas. (Foto: Michael Wrobel).

Eine besondere Stellung nehmen natürlich die typisch mallorquinischen Speisen ein. Dabei gibt es zum einen die neu-mallorquinische Variante mit Gerichten, die auf Rezepten der Vorfahren beruhen, aber kreativ und modern verfeinert werden, wie es einige Köche erfolgreich demonstrieren. Und es gibt zum anderen die Tradition pur, die Klassiker der Insel, die für Puristen so gemacht werden wie schon vor Urzeiten.

Wer die Insel besucht, sollte es nicht versäumen, etwas zu essen, was man in dieser Form tatsächlich nur auf Mallorca bekommt. Dazu einer der renommierten und mittlerweile weltweit anerkannten und prämierten Weine der Insel – und das kulinarische Erlebnis ist perfekt.

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In den Celler-Küchen wird deftig und vor allem traditionell gekocht.. (Foto: Michael Wrobel).

Bayern und Mallorca?

Was haben bayrische Biergärten mit typischen Celler-Lokalen auf Mallorca gemeinsam? Klar, in beiden kann man gut essen und trinken, aber es ist noch etwas anderes. Nämlich ihre Entstehungsgeschichte. In beiden Fällen fing alles mit dem Brauer (Bayern) oder Weinbauer (Mallorca) sowie ihren Händlern an. Einst baute man auf der Insel nahezu flächendeckend Wein an, bis die Reblausplage Ende des 19. Jahrhunderts dem ein Ende setzte und viele Bauern auf Mandeln oder Olivenbäume umschwenkten.

Doch in den Zeiten zuvor wollte man natürlich den produzierten Wein auch verkaufen. Dazu dienten die Cellers, also die Keller. Dort war es ein weniger kühler, was die Lagerung begünstigte. Nach und nach wollten die Menschen, die sich Wein kauften, ihn auch vor Ort trinken und etwas essen. Also brachte man sich zum Ausschank eigenes Essen mit. Als nächster Schritt wurden ihnen vom Weinverkäufer pa amb olis angeboten, diese berühmten, mit Wurstwaren, Käse oder eingelegten Fischen belegten Tomaten-Brote, um den Hunger zu stillen. Die hungrigen Gäste wollten aber immer mehr, sodass die Brote durch Gerichte ergänzt wurden, wobei die Frau des Hauses schlicht nicht nur ihre Familie bekochte, sondern das Volumen erhöhte und die gleichen Gerichte den Käufern vorsetzte. Das Geschäft lief gut…

Heutzutage ist der Weinverkauf eingestellt, es gibt auch viele ebenerdige Cellers und man fokussiert sich ausschließlich aufs leibliche Wohl. Bei den Biergärten in Bayern gab es eine identische Entwicklung.

Authentische Küche in Cellers

Wer also auf Mallorca traditionelle authentische Küche essen will, gekocht nach Rezepten der Omas und Uromas, der sollte einen Celler besuchen. Speziell in Inca gibt es davon viele. Typisch für die Dekoration sind die riesigen Weinfässer in den Lokalen, auch wenn es sich heutzutage oft nur noch um die Frontseite handelt. Hinzu kommen alte Gerätschaften oder andere, an früher erinnernde Accessoires. Die Betreiber sind bemüht, ihrer Küchentradition auch optisch den passenden Rahmen zu verleihen. Als Gäste sitzen Einheimische, Residenten und Urlauber einträchtig im Gastraum.

Der bekannte Gastrokritiker und Buchautor Miquel Ángel Adrover besuchte mit uns einen solchen Celler in Inca, schildert ein wenig die Geschichte des Lokals und spricht über traditionelle Gerichte.

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In den meisten Cellers gibt es keine elaborierten Speisekarten, sondern man konzentriert sich auf das Wesentliche wie frits (gebratene Lamminnereien oder Meeresfrüchte mit Kartoffeln und Gemüse), sopes (Gemüseeintopf mit Fleischeinlage, serviert auf dünnen trockenen Brotscheiben), tumbet (sommerliches Gemüsegericht), escaldums (Hühnereintopf), berenjenas rellenas (gefüllte Auberginen), callos (Kutteln), llengua amb taperes (Zunge mit Kapern), arroces (Reisgerichte), paletilla de cordero (Lammschulter) oder auch porcella (knuspriges Spanferkel). Wer es eher fischig mag, freut sich beispielsweise über einen mit einer Masse aus Hackfleisch, Rosinen, Pinienkernen und Kalmar-Stücken gefüllten Kalmar, dazu gibt´s eine delikate Sauce aus Wein, Zwiebeln und Mandeln. Wer jetzt noch sagt, dass mallorquinische Küche nichts für Feinschmecker ist, kann halt nicht “fein” schmecken…

Wie wir erfahren haben, ist Geduld eine der wichtigsten Zutaten, denn viele Gerichte müssen langsam gegart werden. Man nahm und nimmt sich Zeit. Viele denken, die mallorquinische Küche sei einfach, doch dem ist nicht so. Für viele Gerichte gibt es je nach Dorf eine andere Rezept-Variante, wobei dies natürlich auch mit den jeweiligen Produkten zusammenhängt, die in der Umgebung wachsen. Man darf nicht vergessen, dass trotz der kleinen Insel früher die Infrastruktur schlecht war und man kaum auf “fremde” Produkte Zugriff hatte. Man nutzte daher das, was man hatte.

Das, was heute vielfach beschworen und als “modern und frisch” angesehen wird, nämlich die saisonale Küche, bei der man nur verwendet, was jeweils aktuell geerntet wird, ist letztlich ein alter Hut, war es doch schon damals die natürliche Vorgehensweise. Generell sind die Rezepte aber aufwändiger als man denkt, wie man beim zweiten Teil des Interviews mit Miquel Ángel Adrover hört, wenn dieser über eine sopa mallorquina spricht, ja eher davon schwärmt, muss man sagen…

Der esclata sang, also der Blutreizker, wird vorrangig in den Bergen und Hängen der Tramuntana gefunden, somit wurde er auch nur in den Rezepten der nahe liegenden Dörfer eingesetzt. Natürlich in der Jahreszeit, wenn er zu finden war. Früher bestanden die meisten sopas nur aus saisonalem Gemüse und Brot, da Fleisch noch eine kostbare seltene Zutat war, und man – sofern man Tiere hatte – das Fleisch an Besserverdienende verkaufte. Heute wird allerdings den meisten sopas Fleisch beigefügt.

Doch die Mallorquiner sind auch clever. Weil sie das “gute” Fleisch lieber verkauften oder kein Geld dafür hatten, wurden die unverkäuflichen Stücke, speziell die Innereien, entweder für sich behalten oder man konnte diese günstig erwerben. Damit “erfand” man Rezepte wie das bekannte frito mallorquin.

Eine der wichtigsten, vom Koch erwähnten Zutaten, ist hinojo, also Fenchelkraut. Kein Wunder, wurden die Innereien damals zum Teil nicht perfekt ausgewaschen und verbreiteten daher einen eher unangenehmen Geruch, den der großzügige Einsatz von Fenchel überdeckte. Heute gelten Herz, Lunge und Leber vom Lamm als Delikatesse, die zuvor ausgiebigst gewaschen und vorbereitet werden, so dass der Fenchel “nur” die Rolle eines spannenden Gewürzes innehat. Auch wer bislang nicht zu den Innereien-Freunden gehört, sollte einmal in einem guten Celler-Restaurant ein frito mallorquin probieren. Damit haben sie wirklich ein echtes Stück Mallorca auf dem Teller!